Konzertbericht Candye Kane
Candye Kane im Reigen, 3. April 2015
Viele, wenn nicht die meisten Bluesmusiker hatten resp. haben ein bewegtes Leben. Candye Kane ist da keine Ausnahme, sondern ein Paradebeispiel. „Ich bin das zäheste lebende Mädchen, ich ging durch das Feuer und überlebte“, sagt sie über sich selbst, und wer ihre Lebensgeschichte kennt, stimmt dem zu (Details s. Wikipedia). Sie macht aus ihrem Leben kein Geheimnis, sondern trägt ihr Herz auf der Zunge, spricht ungeschminkt aus, was sie denkt, und steht zu ihrer Vergangenheit. Obwohl körperlich sichtlich beeinträchtigt, steht sie äußerst vital auf der Bühne und bietet eine sehens- und hörenswerte Performance. Ihr auffälliges Outfit besteht aus einem unter die Knie reichenden, engen, weinroten Kleid, einem Federnhut über dem langen Haar, Netzstrümpfen und viel Schminke in einem jünger wirkenden Gesicht, das irgendwie nicht zum Körper passt. Die mächtige Stimme wird ihrer Musik gerecht und sie kann wirklich singen; dass sie von der Bay Area stammt, ist nicht zu überhören, West Coast– und Jump Blues machen einen großen Teil ihres Programms aus, in diesen Spielweisen fühlt sie sich zu Hause, obwohl sie auch in vielen anderen zeitgemäßen Genres schon zu hören war.
Gitarristin Laura Chavez ließ Candye auch in den schwersten Zeiten nicht im Stich, sie ist mit ihr seit vielen Jahren fest verbunden. Via Stevie Ray Vaughan kommt sie von T-Bone Walker her, und spielt ihr Instrument sehr solide, ja großartig, bestens eingespielt mit der Frontfrau. Daneben „dirigiert“ sie Bassist Peter Strutzenberger und Schlagzeuger Michael Strasser, signalisiert Breaks und Stops, Tempo- und Dynamikwechsel.
Die heimischen Rhythmiker wurden erst wenige Tage vor dem Konzert gebeten, für die fehlenden Begleiter Candye’s einzuspringen. Weil die beiden zu den besten heimischen Vertretern ihres Faches gehören, wurden sie ihrer Aufgabe mehr als gerecht und ernteten nicht nur Applaus des Publikums, sondern auch der Frontdamen.
Wie bereits erwähnt steht Musik von der Westküste der USA im Mittelpunkt des Konzerts, man hört schnelle Jumptitel und getragene Balladen, Shuffles und Rhumba, „funkiges“ und „jazziges“, ein bunter, abwechslungsreicher Abend. Die meisten Lieder sind ihre eigenen, besonders akklamiert wird „All You Can Eat…“, ein schneller Boogie/Rock bei dem sie in der Ansage vor diversen Gewichtsreduktionsdiäten warnt und betont, dass ihre eigene frühere Leibesfülle bei der Bewältigung ihrer Krankheit entscheidend mitgeholfen hat. Der Shuffle „You Need A Great Big Woman“ und die Ballade „I Could Fall For You“ mit einem großartigen Gitarrensolo sind im Gedächtnis geblieben, ebenso die Covers „Sweet Nothin’s“ und „Whole Lotta Love“, aber auch alle anderen Songs haben beeindruckt. Ein Klavier hätte dem Ganzen zusätzlich gut getan.
Nach ihrem letzten Titel verlässt Candye die Bühne und den Saal; die vehement geforderte Zugabe wird nicht gegeben, Frau Kane hat sich voll ausgegeben und ist am Ende ihrer Kraft.
Eine großartige Künstlerin, eine ob ihrer Historie bewundernswerte Frau.
Man kann ihr nur alles Gute wünschen und hoffen, sie bald wieder in Wien zu sehen.
Werner Simon