Gine Heiger & Her Bluebirds, 10. 1. 2018, Jazzland Wien.
So ein Abend im traditionsverwöhnten (schon 45 Jahre, das sagt etwas!) Jazzlandkeller startet nach einer selbstbemessenen Wartezeit mit einer sanften Wetterbeständigkeit mit zwei gemütlichen, durch hochwertige Speisen und übliche Getränke, vom allzeit wachgeistigem und kundenzugewandtem Kellner Martin angereicherten Stunden, immer in der Gewißheit: es wird 21:00. Die optional gewählten musikalischen Akteure geben dem rohziegeligen Keller jenes Plus, um das dorthin zu gehen es sich nach den frugalen Lätizien lohnt. Jetzt überschwemmt ein offenkundig von dieser Lokalität gleichsam bereitgestellter Enthusiasmus der Künstler (diese Bezeichnung rechtfertigen die auf der Bühne bis zum unvermeidlichen “Go home!“) das wie immer zahlreiche raum(nicht selten über-)füllende Publikum. Für die zufriedenstellende Wahl des musikalischen Parts sorgt zeitgerecht das informative Programm.
Das las sich für den 10. 1. 2018 so:
Vor einem guten Jahrzehnt ging Bluessängerin Gine Heiger mit dem Pianisten Stefan Koss sowie Michael Hudec b und Peter Müller dm ins Studio und nahm einige grandiose Titel auf, die dann irgendwie „vergessen“ wurden. Boogie-Papst Hans Maitner verfügt glücklicherweise über ein geradezu eidetisches Gedächtnis, denn sonst hätte er sich nicht an diese grandiosen Einspielungen erinnert – so kommt jetzt mit großer Verspätung „Got The Blues So Bad“ als CD auf den Markt – und wird heute im JAZZLAND vorgestellt!!!
Die Namen der Künstler stehen, das weiß man, für höchsten Qualitätsanspruch, vielfach bewiesenem Können, nicht beschreibbarer, aber umso intensiver erlebbarer Faszination der Person: Gine Heiger, deren CD-Präsentation gleichsam die offiziöse Hülle des Abends war, zu hören, zählt zu den extremen Raritären in der Bluesszene. Ihre Stimme ist von einer derart starken eigenen Charakteristik, die sich verbal zu beschreiben sie sich locker verwehrt. Aber darf man sie hören, um so mehr zieht sie in den Bann. Musikalische Raritären der 20er bis 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts hat sie sich zusammen mit der Blues-Perle Stephan Kos, dem Tausendsassa am Bass, Michael Hudec (sein Markenzeichen: geschlossenen Auges der Musik dienen) und (gewissermaßen als “Gast“ mit der Verbindung zu Gine Heiger) dem einzigartigen Boogiegenius Martin Pyrker erarbeitet. In besondere Begeisterung zieht an der Slingerland das Drummerunikat Peter Müller. Wer das nicht je gehört hat, ist sich der schwerwiegenden Lücke im Vertrautsein mit Bluesmusik gewiß.
Das Schwärmerische, das hier für die Zuhörer erarbeitet wurde, hat einen eigenen lang anhaltenden Wertegrad, den man in virulenter Verbundenheit gewollt und ungewollt mitnimmt.
Stephan Kos, stets von konzetrierter Zurückhaltung geprägt, enthemmt sich in ansteigenden Ausmaß, sobald er am Bösendorfer sitzt. Ihn Blues und Boogie spielen zu hören, wäre an sich schon ein Großgeschenk. Die Harmonie, die er zu seinen Mitgestaltern Michael Hudec und Peter Müller, vermittelt, zwingt zu der indiskreten Frage, wie viele Stunden sie wohl geprobt haben müssen. Man ahnt es jedoch bei deren Qualität: da wird nicht geprobt, da wird gespielt.
Als bräuchte das Publikum eine spezifische Anreicherung an qualitätsreicher Musikartistik, gehörte für viele Nummern das Klavier Martin Pyrker, als Urgestein des Jazzland bezeichnet. Unverkennbar: zwei Tastenanschläge und man weiß: hier spielt Martin Pyrker. Es genügt einerseits nicht, nur seinen Namen in der Programmvorausbeschreibung zu lesen, anderseits braucht es wirklich nicht mehr, um sicher zu sein, was Wunderbares man zu hören bekommt. Und wer ihn je auf der Bühne sah, weiß, daß er sich solange kontinuierlich steigert, bis ihn die Hitze seiner Aktivität endlich das Sakko ablegen läßt. Und mit ihm wird die Zuhörerschar mit einem Musikerlebnis konfrontiert, das nur Staunen, Applaus, Begeisterung, Dankbarkeit, Bewunderung und vieles mehr dieser Art beisteuert.
Hermann & Gisela Harrauer
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