Hans Theessink & Christian Dozzler / Orpheum Wien, 25.10.2016.
Vor dreiĂig Jahren hatten Hans Theessink und Christian Dozzler in Wien zusammen Schallplatten eingespielt, an zwei StĂŒcke davon (âSlidinâ Deltaâ, ââŠLock On The Doorâ) erinnerten sie sich auch beim gestrigen Konzert im Orpheum. 2015 war Hans wieder einmal in den USA unterwegs gewesen, hatte seinen alten Freund Christian dort in dessen Wahlheimat Dallas getroffen und war mit ihm gemeinsam aufgetreten.
Es mag einer glĂŒcklichen FĂŒgung zu verdanken sein, dass die beiden Herren einen passenden Termin fĂŒr ein Duokonzert fanden, der noch dazu in einer Location stattfand, in der ein akustisches Klavier zur VerfĂŒgung steht. Christian hatte seine Harps mitgebracht, Hans hatte vier Gitarren dabei, drei davon offen gestimmt (darunter eine 12-saitige und eine Dobro) und eine Resonatormandoline; auf allen Instrumenten wurde zumindest ein Mal gespielt.
Das Konzert wird mit einem langsamen StĂŒck eingeleitet, Christian zunĂ€chst etwas verhalten mit der Mundharmonika, Riffs kaum zu hören, bei seinen Chorussen nimmt sich Hans zurĂŒck und die Harp kommt besser zur Geltung. Wir hören drei Theessink Kompositionen, darunter âMandolin Manâ (eine Hommage an Yank Rachell), âVicksburg Is My Homeâ und âWhere The Southern Crosses The Dogâ. Beide Herren begleiten einander groĂartig und liefern ĂŒberaus kreative Solos ab, von denen man gerne noch mehrere gehört hĂ€tte. Nach dem bereits oben erwĂ€hnten âSlidinâ Deltaâ wechselt Christian zum Klavier und man hört âNew Home Upon The Hillâ und âFalse Accusationsâ, bei beiden Hans auch an der Mundharmonika (âspielâ ich nur wenn der Christian am Piano sitztâ). Bei âClosest Friendâ erhebt Dozzler erstmals auch die Stimme; mit Leadbellyâs âBourgeois Bluesâ geht der erste Set zu Ende. Bemerkenswert ist, dass Christian auch bei diesem StĂŒck die optimale Klavierbegleitung samt Solo einfĂ€llt, obwohl es im Original immer nur mit Gitarre allein eingespielt wurde.
Im zweiten Set hören wir zunĂ€chst âSittinâ On Top Of The Worldâ, von Hans richtiger Weise den Mississippi Sheiks (und nicht etwa Howlinâ Wolf) zugeordnet. Die Herren hatten dieses StĂŒck bereits 1989 in gleicher Besetzung auf Platte eingespielt, und die gemeinsame Spielfreude ist hier ganz besonders augenscheinlich. Christians Stimme ist bei âSomebody Changed The LockâŠâ wieder dran (âvom einser Sonny Boy Williamsonâ, wie er richtig bemerkt), und die Harp hĂ€tte der auch nicht anders gespielt. Hans stimmt âBlindâ Willie McTellâs bekannteste Komposition âStatesboro Bluesâ an, und abermals findet Christian einen kongenialen Pianopart, obwohl das Original nur mit der Gitarre begleitet wird. âWingsâ, also auf Deutsch âFlĂŒgelâ heiĂt das nĂ€chste StĂŒck und ist das Stichwort, wieder an den FlĂŒgel zu gehen. Bei â61 Highwayâ ist Hans auf der Blechgitarre und wieder der Harp zu hören, ehe er eines seiner gerne gespielten Lieder ansagt, nĂ€mlich Memphis Slimâs âMother Earthâ. Es folgt eines der bekanntesten StĂŒcke des genialen Gitarre/Klavierduos Leroy Carr/Scrapper Blackwell, der âHow Long Bluesâ, wieder von Christian gesungen, heftig akklamiert von den zahlreichen Besuchern. Mit âPay Dayâ geht das offizielle Programm zu Ende, das Publikum darf nach KrĂ€ften mitsingen.
SelbstverstĂ€ndlich werden Zugaben gefordert, selbstverstĂ€ndlich werden die auch geboten. Von Blind Blake stammt der nĂ€chste Titel, und das Geheimnis, was âDiddy Wah Diddyâ bedeutet, wird auch dieses Mal nicht gelĂŒftet. Einerlei, die Leute singen wieder (unaufgefordert!) lautstark mit. Mance Lipscombâs âSugar Babeâ ist das allerletzte StĂŒck, und damit ist wirklich âAll Over Nowâ.
Viele Experten meinen, Klavier und Gitarre gehen nicht wirklich gut zusammen, und die Historie scheint ihnen Recht zu geben. AuĂer den bereits erwĂ€hnten Duos Carr/Blackwell fallen mir nur Big Maceo/Tampa Red und allenfalls Black Bob/Broonzy ein, allesamt groĂe alte Meister. Es ist den groĂen Meistern unserer Tage vorbehalten, in die FuĂstapfen der Vorbilder zu treten, und zu denen gehören ohne Zweifel Hans Theessink und Christian Dozzler. Viele Experten meinen auch, es gehe nichts ĂŒber Soloauftritte der beiden; das scheint mir mit dem gestrigen Abend widerlegt zu sein.  Auftritte beider als Solisten konnte man schon oft miterleben, und sie waren allesamt ein VergnĂŒgen. Das gestrige Konzert aber zĂ€hle ich zu einem der allerbesten, das ich in den letzten Jahren besuchen durfte, hoffentlich gibt es irgendwann eine Wiederholung. FĂŒnf Sterne!
Werner Simon  Â