Jazzland, Boogieabend, what’s else?!
Jazzland, 26. 1. 2017.
Die Frage ist schnell beantwortet: Martin Pyrker mit Tochter Sabine und Lluis Coloma aus Barcelona. In der launigen Begrüßung vom Hausherrn Axel Melhardt wird unvermittelt Feierstimmung thematisiert: demnächst sind´s 45 Jahre “Jazzland“ im Kellergewölbe, und Martin Pyrker ist an Jahren gleich unverzichtbarer Mitgestalter der Musikereignisse. Der Gratulationsapplaus ließ nicht auf sich warten. Wie Martin Pyrker für das Jazzland unverzichtbar war, so ist er es viel ausgedehnter für den Boogie.
Und wenn Melhardt im Veranstaltungskalender hervorhebt, daß Sabine Pyrker “viel besser aussieht als die Tastenzauberer“, ist das ja eine der edelsten Korrektheiten, darf aber die immanente Ergänzung zulassen: Vater Martin nimmt immer im eleganten Zwirn, mit den Tastatursocken abgestimmt, am Bösendorfer Platz. Vater und Tochter, das Augenlabsal für die den Keller dicht füllende Hörerschar.
Mag es nicht an Boogiepianisten mangeln, Martin Pyrkers Qualität ragt unvergleichlich heraus. Lauert man als Lieberhaber des Boogie begierig auf ein facettenreiches Spiel mit den Eckpfeilern “Fortissimo – Pianissimo“ und wartet man gar auf Adagiopassagen, ist man auf Martin angewiesen. Diese vielleicht merkwürdigen Wünsche erfüllt verläßlich Martin Pyrker. Es ist schon etwas die Seelentiefe Bannendes, sich den Koloraturen seiner Tastenläufe hingeben zu dürfen. In diesem Moment ist es angebracht, in Wikipedia eine komfortable Anleihe in sein Gedankenprofil einzufügen: “Eine Koloratur (von lat. color = “Farbe, Färbung“) ist im Gesang eine schnelle Abfolge von Tönen mit kurzen Notenwerten gleicher Länge“. Diesem Lehrsatz folgend ist es unglaublich spannend, einen solchen Abschnitt eines Klavierspieles wie eine Gesangskoloratur zu hören: Martin macht dies möglich. Daß dabei die Mitwirkung von Sabine an den Drums einem Taktstock des Dirigenten gleich den Hörer in wieder einen anderen Bann zieht, ist so etwas wie ein Familiengeheimnis.
Wie sehr Martin Pyrker in den internationalen Standard eingebunden ist, ließ er ein begeistertes Publikum mit Lluis Coloma aus Barcelona erleben. Was als unikales Prädikat dessen kaum begrenzt vorstellbares Können überstrahlt und so gut wie nur bei ihm zu hören ist, das sind Musikzitate, die er, listig blickend, beliebig einbaut und damit den Hörer derart beschäftigt, denn, man fragt sich: “Ich kenne doch diese Melodie, aber was ist sie bloß?“ Und schon wird man fortgerissen vom Umkramen im eigenen löchrigen Musikwissen durch die Modulationen der paar markanten Töne, bis man das Suchen nach dem von Coloma zitierten Anderen aufgibt, bestimmt von der Gewißheit: “Suche ich weiter in der versagenden Erinnerung, versäume ich, was Coloma dazu weiter berichtet“. Ist das nicht spannende Boogiemusik? Die lebendigste Präsentation eines Boogie ist das normale Rahmenprogramm des Zauberpianisten aus Katalonien. Ein Gag jagt den vorigen, Mal ist es die Mimik, mal sind es spontan eingebaute Fingerschnipper, die er solange pflegt, bis das Publikum mitmacht. Und diese Einbindung der Hörer in den Abend ist verantwortlich für nicht nur einen hohen Unterhaltungswert, sondern macht den Raum zum Mitgestalter des Musikerlebnisses. In der Programmbeschreibung nennt Melhardt Vorbilder wie Meade Lux Lewis, Pete Johnson und Jerry Lee Lewis (u. a.). Lluis Coloma hielt sich daran und ließ darin auch seine begeisternde Spielbreite aufblitzen.
Verläuft ein Abend mit einer derart hohen Zahl überraschender, freudvoller, qualitätsbestimmter Momente, gab es – als Extraevent – Katharina Alber aus Tirol: nicht nur das Erscheinungsbild passend zum Abend, wie bereits hervorgehoben, so brachte sie, eine hochbegabte Boogiepianistin, ein Feuerwerk an Tempo, Wohlklang, Musikphanatismus in den Keller. Leider gestattete die Zeit nur zwei Nummern, die das Verlangen hinterließen, noch viel öfter und noch viel mehr Boogie Woogie von Katharina Alber hören zu dürfen. Für Veranstalter von Musikevents ist sie eine Künstlerin mit Qualitätsgarantie. Ist es doch der Hervorhebung wert, wenn im eigenen Land eine Katharina Alber an den Tasten zu erleben ist?! Der Applaus des Publikums möge ihr präsent bleiben und zeigen, wie sehr sie uns im Jazzland beeindruckt und begeistert hat. Hier stets auch geschrieben.
Dankeszeilen als Resumee an Axel Melhardt, seine Crew, an Martin Pyrker aus Wels, an Sabine Pyrker aus Linz (vier Monate müssen wir ohne sie auf der Bühne durchhalten: die künftige Rolle der Jungmutter hat Vorrang!), an Lluis Coloma aus Barcelona, an Katharina Alber aus Tirol!
Hermann Harrauer