Nugget
Wein Bar Gemischter Satz 30.04. 2017.
Pauschal wird nichts einzuwenden sein gegen die Behauptung, dass der Blues viele “Verwandte“, primär eben “Kinder“ hat. Das bekam man in aller Nachhaltigkeit in der Blues & Grass Supersession III im Rahmen des Vienna Blues Spring 17 (22. 4. 2017 im Reigen [wie konnte es nur passieren, dass in Blues.at nicht darüber berichtet wurde?? Herby Dunkel, Siggi Fassl, Benji Hösel, Yasemin Lausch, Helmut Mitteregger, Katarina Mitteregger sei hier in knappster Kürze Dank und riesig großes Bewunderung bezeugt]) serviert. Sie präsentierten Chicago Blues, Country Blues, Western Swing, Bluegrass, Country & Western, Jump (das zu den “Kindern des Blues“).
Nahezu schüchtern taucht hier, was an Seltenheit kaum überbietbar ist, Bluegrass mitten drin auf. Es scheint eine Berechtigung zu geben, diese Musikrichtung doch so manchem in Erinnerung rufen zu dürfen und nachhaltig für ein Entdecken oder Wiederfinden zu motivieren. Dazu berechtigt die Anzahl der “echten Blusianer“ (5 + 1 Bluesmusiker) beim letzten einschlägigen Konzert (s. im folgenden mehr).
Diese “Volksmusikrichtung“ wird dem breiten Genre der Country-Musik zugeordnet. Banjo, Fiddle, Mandoline, Gitarre, Dobro, Kontrabass und Gesang liefern das Klangbild. Schlagzeug kommt nicht zum Einsatz, das übernehmen Mandoline und Gitarre. Eine besondere Note trägt der Gesang dazu bei, was extrem von der Band abhängt. Terz- und Quintharmonien sind bestimmend für den Wohlklang.
Ein knappes Wort ist zur Historie des Bluegrass beizutragen: Kentucky´s und Tennessee´s Bergregionen werden als die Entstehungsplätze in den Jahren zwischen 1937 und 1945 in den historisch orientierten Publikationen sowie Bill Monroe als jene Persönlichkeit genannt, dessen musikalische Experimente letztlich die spezielle Country-Musik mit starken Blueselementen die Bluegrass-Musik schufen.
Der Name jener Band, die heute bzw. schon über die Jahre, diese launige, höchst unterhaltsame Musikrichtung in unserem Land gleichsam am Leben erhält, firmieren mit dem clever gewählten Namen Nugget. Dass dieser an die Goldnuggets zu erinnern erfolgreich ist, liegt auf der Hand. Und wie sich beim Zuhören zeigt, trägt diese Formation rechtens die Kombination zu den erfolgreichen Goldgräbern. Ja, man hört diese glanzvolle Qualität in jeder Nummer.
Die Namen der Musiker und ihre Spezimina:
Helmut Mitteregger, Bandgründer (1976) spielt Mandoline, Gitarre, Telecaster, Bass, Banjo, komponiert, textet, singt und ist ein “DJ“ spezifischer Prägung mit seinen Spontantexten (wären der Sammlung wert, aber wie das mit Spontantexten so ist: sie sind kurzweilig und wirken für den Moment, dies aber mit unleugbarem Ankommen beim Zuhörer, brauchen aber den Zusammenhang des Augenblicks!!) vor jeder einzelner Nummern: ein Beispiel: als letztes Wort nannte er die Band und betonte die letzte Silbe und hatte mit Nuggat seine Lacher einmal mehr eingewickelt;
Katarina Mitteregger: Bass, Gesang: jede Nummer wird von ihrer kräftigen Stimme getragen; sie beherrscht mit überzeugender Technik alle geeigneten Register; Katarina Mitteregger gewann den ACMF Award 2016 „Country Sängerin des Jahres“
Thierry Massoubre (schon in den 90er Jahren 10 Jahrr lang und wieder seit 2016 wie in der Band) aus Paris: Gitarre, Gesang. Seine Beherrschung der Gitarre ist das, was man als Ohrenschmaus einfach nicht vergessen kann. Die etwas dunkle Stimme hinterläßt beim Zuhörer den Eindruck, sie ist in dieser Formation unersetzbar.
Katarina, Helmut Mitteregger und Massoubre setzen mit ihrem harmonischen, fein aufeinander abgestimmten Triogesang das Highlight des Abends, und das bei jeder Nummer (von einer einzigen instrumentalen abgesehen)!
Jarda Jahoda aus Prag: Bajo, Gesang (dieser wird nach der strengen Ansage des Bandleaders bei jedem Auftritt geprüft und benotet: an dem betreffenden Abend gab es, vom Publikum jedenfalls, eine abzugsfreie Eins). Eigene Erlebnisse legitimieren zu der Ansicht, dass in Tschechien Bluegrass besondere Beliebtheit trägt: und die ist unüberhörbar.
Die Internationalität des Quartetts und ihre Qualität auf höchstem Niveau steht in krassem Kontrast zu der Zahl der Auftritte in unserem Land. Fast könnte man meinen, nur spezielle “Kenner“ dieser Musik wären im Publikum zu finden. Oder ist es vielmehr so, dass die Meinung existiere, es handle sich dabei um “Gras(s)“-Musik, was dann noch immer eine überzeugende Interpretation verlangen sollte. Wie auch immer: Hier die nachhaltige Nachricht und die auf Interessenserweiterung zielende Einladung, wenigstens einen Schnupperabend bei nächster Gelegenheit einzuprogrammieren.
Und wenn man die folgende Setliste sich zu Gemüte führt, stellt man gewiss fest, dass darunter Bekanntes (welch Vergnügen, dem “Mr. Sandman“ aus den Kindertagen – mit meist gar nicht willkommener Aufforderung der Eltern zur Nachtruhe – im launigen Dreiklang von H. + K.Mitteregger + Massoubre zuzuhören) und jede Menge “unbekannter“ Songs zum Vortrag kommen, womit das “Repertoire des Gehörten“ mit unvergleichlichem Vergnügen erweitert wird: dies waren die 28 Songs des Abends:
Country Rain; The Boys Are Back in Town und Coming Home To You (auf den Auftritt der Nugget´s zu beziehen); Shenandoah Valley Waltz (nachhaltiger Nachweis der Wendigkeit der Band); Big Moon; Underneath The Wheels; High Sierras; One Life; Ridin´ The L&N; Never Happy Till I´m Full of Sorrow (der Song wirkt dagegen); My Window Faces The South; Separate Ways; Ramblin´ Fever (weil man zuwenig Bluesgrass hört); Let Your Love Flow (geht die Bluegrass-Nichtkenner an); Back To the Barrooms Again; Dark Shadows; You Got Me Cryin´(nicht wenn Mittereggers und Massoubre singen!), Still Loving After You (Lebenserfahrungen in Legato-Musik); Die Tryin´; Rocky Top, Cowboys Ain´t Supposed To Cry; In Those Mines; I´m Singing Harmony (da war die Attacke auf das Gefühl und Musikempfinden besonder heftig); Dimming Of The Day; Wilder Ritt (erinnert an Riding with the King?), That Train (das Thema “Zug“ ist im Bluegrass nicht weniger beheimatet als im Blues); Mr. Sandman (s. o.), Highway Of Regret (der Highway ist das Wiederhören der Nugget´s, das spart den Regret).
Mag es bekannt sein oder nicht, als Info ist´s wohl unschädlich: „New West“ hat viel mit den Mittereggers zu tun. Also: auch hier Hörgenuß und -pflicht!
Noch ein Wort zur Location: Wein Bar Gemischter Satz in Grinzing ist ein sympatisches Lokal mit Ausrichtung entsprechend dem Platz: sehr freundliches Personal, die Wand, vor der Musiker stehen, ist vollbelegt mit Büchern, aus denen gleichsam Esprit und Spirit des Abends abgerufen werden. Der Wein Bar und ihrm Besitzer gebührt jeder Dank für die Organisation des Abends und soll doch unbedingt hoffen lassen, dass viele weitere Abende dieser Qualität und Klasse folgen mögen. Das Publikum des vergangenen Abends wird mit viel Enthusiasmus wieder kommen.
Hermann Harrauer