Paul Lamb & The King Snakes.
Vienna Blues Spring â Reigen, 11.4.2017
Als regelmĂ€Ăiger Konzertbesucher ist man oft versucht, das jeweils zuletzt Erlebte als das gröĂte und beste zu empfinden, sofern das Gebotene objektiv und subjektiv wirklich QualitĂ€t bewies.
Dies trifft auch fĂŒr das gegenstĂ€ndliche Konzert zu, wobei die Performance Paul Lambâs mit seinen King Snakes tatsĂ€chlich alles ĂŒbertrifft, was ich bislang kennenlernen durfte. Obwohl ich mit Sonny Terry, Doc Ross, Carey Bell, Billy Branch, Kim Wilson, Bill Barrett, Steve Guyger, Christian Dozzler, Gerry LĂŒlik viele der besten Harpspieler gehört und gesehen habe, scheint mir Lamb unĂŒbertrefflich zu sein, was GefĂŒhl und VirtuositĂ€t anlangt. Diatonisch oder chromatisch, elektrisch oder akustisch, Lamb ist ein ganz groĂer Meister â er hat den mĂ€chtigen Sound, er beherrscht die feinen Töne, sein Feeling fĂŒr den Blues verlĂ€sst ihn nie. Technisches Können ist selbstverstĂ€ndlich; seine Whoops und Hollers verraten Sonny Terry als einen seiner Lehrmeister.
Die King Snakes, die mit Ausnahme seines Gitarre spielenden Sohnes Ryan (âyoung man on the guitarâ) alle auch etwa zu seiner Generation zĂ€hlen, sind eine mehr als passende Begleitgruppe. Mit Rod Demick an der Bassgitarre und Dino Coccia am Schlagzeug sorgen zwei Ă€uĂerst routinierte alte Hasen fĂŒr zuverlĂ€ssigen Beat, Groove und Drive. Chad StrentzÂ ĂŒbernimmt mit rauer, urwĂŒchsiger Stimme gut die HĂ€lfte des Gesangs; warum er sich auf die Rhythmusgitarre beschrĂ€nkt und Solos, Riffs und Licks Ryan ĂŒberlĂ€sst, ist mir nicht bekannt â die beiden Herren werden den Grund wissen.
Bis zur Pause hĂ€lt man sich fast exakt an die aktuelle CD âLive At The Royal Albert Hallâ â als âsanften Blues-Rock mit traditionellen Wurzelnâ wĂŒrde ich das Programm einschĂ€tzen. Bei ein paar Titeln aber kommt eine Dobro statt der E-Gitarre zum Einsatz und es wird zu zweit musiziert. Besondere Akzente setzt Ryan nicht, zieht sich aber passabel aus der AffĂ€re â Blues-Rock scheint eher seins zu sein, was generationenmĂ€Ăig auch nicht verwundert. Mit Freddie Kingâs âTore Downâ geht es in die Pause.
Danach wird es richtig spannend: Paul Lamb kommt alleine auf die BĂŒhne und spielt solo Gershwinâs âSummertimeâ in einer bemerkenswerten Interpretation â frenetischer Jubel. Chad Strentz gesellt sich dazu und es wird âI Got A Womanâ angestimmt, wobei sich seine Stimme eher nach Elvis als nach Ray Charles anhört. Es wird eine lange Version, bei der spĂ€ter auch die anderen Musiker einsteigen â noch lauterer Jubel.
Mit Sonny Terryâs âBuilt Childâ ist Lamb voll in seinem Element. Nach Louisiana, exakt New Orleans will er mit dem nĂ€chsten Song â ein StĂŒck von Professor Longhair sagt er an, und ich spitze die Ohren. âSittinâ here la la, waitinâ for my ya yaâŠâ singt er. Ok, stilistisch liegt er richtig, wir hören originalen New Orleans Funk, Allen Toussaintâs Piano hört sich sogar nach Longhair an, es war aber ein Hit fĂŒr Lee Dorsey aus 1961, vielfach gecovert, allerdings nicht vom guten Professor. Dennoch authentisch prĂ€sentiert, wieder heftig akklamiert.
Mit einem StĂŒck fĂŒr B.B.King (âGuess Whoâ) wird fortgesetzt, Lamb marschiert mit seiner Harp durch das Publikum, man hĂ€tte die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen fallen hören können. Die Mundharmonika ist auch unverstĂ€rkt ganz gut hörbar, Paulâs Whoops sowieso, die Leute sind begeistert.
Mit einem laut Paul âeigenartigen Liedâ wird fortgesetzt, nĂ€mlich âGames People Playâ (1970) mit Reggae â Einschlag. Danach wird es sensationell â Paul ruft den âzufĂ€llig anwesendenâ Hans Theessink auf die BĂŒhne. Der lĂ€sst sich nicht lange bitten, greift sich die Dobro und nimmt Platz. Wir hören âNine Below Zeroâ â alle Musiker wirken Ă€uĂerst konzentriert und aufmerksam. Dann stimmt Hans â61 Highwayâ an und ĂŒbernimmt den Vokalpart. Ryan Lamb spielt die E-Gitarre â zum Solo eingeladen wirkt er leicht ĂŒberfordert. Fred McDowell ist vielleicht doch nicht so sehr seins; Sonny Boy und Big Joe Williams eher auch nicht. Hans, Chad und Ryan singen gemeinsam noch den âMidnight Specialâ, begleitet von Dino nur mit den Sticks und Paul mit der Mundharmonika.
Dann geht Theessink von der BĂŒhne, natĂŒrlich unter tobendem Applaus und das Konzert ist offiziell zu Ende. Lamb kommt alleine auf die BĂŒhne zurĂŒck und intoniert solo ein Lied, das ich als âMama Bluesâ von Doc Ross in Erinnerung habe. Weil das Publikum noch immer keine Ruhe gibt, kommen alle King Snakes noch ein letztes Mal und lassen den Abend mit âHole In The Wallâ (Terry/McGhee) ausklingen.
Schon 2013 hatten wir das VergnĂŒgen und die Ehre gehabt, Lamb und Strentz im Davis zu Gast zu haben, aus KostengrĂŒnden begleitet von den âRoosevelt Houserockersâ aus Linz, die die beiden nach Ăsterreich geholt hatten; mit den Original King Snakes wĂ€re die Geschichte zu teuer gewesen.
Auch die damalige Performance habe ich in guter Erinnerung, das gegenstĂ€ndliche Konzert mit den eingespielten King Snakes bleibt aber unĂŒbertroffen. Dennoch hĂ€tte ich Chad Strentz gerne wieder an der Leadgitarre gehört, so wie 2013, wenigstens bei einigen Liedern.
Werner SimonÂ